Sterbende begleiten – kann das mit Leidenschaft leben?

Wie ist es einem inneren Ruf zu folgen? Ihm wirklich zu folgen? Alles umzusetzen, was damit verbunden ist? Kerstin Seifert aus Rosenheim geht diesen Weg: Seit wenigen Wochen ist sie zertifizierte Trauerbegleiterin, „hauptberuflich Trauerbegleiterin“, wie sie mit einem hörbarem Lächeln in der Stimme hinzufügt. Das Gespräch mit ihr und über ihre Arbeit ist keineswegs von Düsternis und Dunkelheit, von Beklemmung und Furcht bestimmt. Im Gegenteil: Die 48-Jährige hat ihre Bestimmung gefunden, lebt diese und ruht deshalb derart in sich, dass es eine Erkenntnis ist, mit ihr über das Sterben als Lebensaufgabe zu reden.

Doch zunächst zurück in ihre Jugendjahre: Wo andere sich oftmals gerne abwenden, ist Kerstin Seifert stets einen Schritt auf die Betroffenen zugegangen. „Ich hatte nie Angst vor dem Tod. Ich hatte immer das Gefühl, er gehört zu meinem Leben“, erinnert sie sich. Mit Respekt spricht sie etwa von dem „großen Frieden“, der in ihr vorherrsche, wenn sie einen Sterbenden in seiner Todesstunde begleitet, wenn sie Angehörige oder Hinterbliebene in ihrer Trauer nicht allein lässt. „Wir weinen miteinander und wir lachen miteinander“, sagt sie. Dieses heilende Miteinander ist es, was sie stets ermutigt, ihren Weg weiter zu gehen.

Im Rahmen ihrer dreijährigen Ausbildung als Heilpraktikerin für Psychotherapie befasst sie sich mit den verschiedensten Krankheitsbildern, den unterschiedlichsten Krankheitsverläufen – bis hin zum Sterben der Patienten – und stört sich mehr und mehr am „Funktionieren in dieser Welt“, die eben im Extremfall „Sterben“ nicht mehr diesem „Takt des Funktionierens unterliegt“, so Seifert.

„Sterben und Trauerarbeit – das muss anders gehen. Das muss von Herz zu Herz gehen“, ist sie überzeugt – und sucht nach Veränderung. Wenig später stolpert sie in einem Flyer über Hospizarbeit über das Wort „Trauer-Netzwerk“ – und ist sofort davon fasziniert. Ein engmaschiges Netz, das ist es, was es braucht beim Erkennen der eigenen Endlichkeit. „Das ist meins! Diese Aufgabe ist meine!“, so ihre Überzeugung. Sie läßt sich zur zertifizierten Trauerbegleiterin ausbildenund wagt den Schritt in die Selbstständigkeit. Ihre drei Kinder und auch ihr Mann spüren, dass dies wohl ihre Bestimmung ist. Sie spüren den Wert, den die Ehefrau und Mutter ihrer Aufgabe beimisst, welch’ tiefer Frieden sie erfüllt, wenn etwa ein Gespräch mit einem Sterbenden, mit Angehörigen gut verläuft. Es gehe letztlich darum, Lebenswege „zu einem guten Ende zu bringen“, in der verbleibenden Zeit das umzusetzen, was noch umzusetzen möglich ist, vielleicht sogar versöhnend zu wirken, wo Versöhnung nötig ist. „In Frieden gehen“ – das ist für Kerstin Seifert Ausdruck eines würdevollen Sterbens.

Natürlich fordert ihre Arbeit auch Kraft und den Mut zur respektvollen Distanz. Ruhe findet die Rosenheimerin im Wald, der ihr viel positive Energie gebe. Zudem spielt sie zum Ausgleich Steirische Ziehharmonika, vor allem deshalb, „weil man die Bässe so sehr spüren kann“, lacht Kerstin Seifert. Die Trauerbegleiterin an der Ziach blendet die Moll-Töne des Lebens nicht aus, sondern nimmt sie tief in sich auf und verwandelt sie im Wissen darüber, den für sie persönlich richtigen Weg gefunden zu haben, mit einem veränderten Handgriff nur – in strahlende Dur-Töne.